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Keine Entweder-Oder-Frage - Zum 85. Geburtstag von Micky Maus

Über die großartige Geburtstagsedition, die Ehapa zu Mickys 85. Geburtstag herausgeben hat, haben wir uns ja schon ausgelassen. Stattdessen wollte ich eigentlich auf ein Thema eingehen, das mir schon lange auf dem Herzen liegt: Die generelle Unbeliebtheit von Micky Maus und deren Ursachen. Das Thema ist allerdings zu komplex, um in einem kürzeren Text ausreichend behandelt zu werden. Deshalb will ich nur über einen bestimmten Grund schreiben, welcher mir persönlich schon immer ein bisschen gegen den Strich ging: Der ewige Vergleich zwischen Micky Maus und Donald Duck. Und ich gebe vorneweg zu Protokoll: Ich liebe die Figur Donald Duck. Aber umso seltsamer und unverständlicher finde ich es, dass man ihn immer von Micky abgrenzen, über selbigen überhohen muss.

Ein typisches Beispiel: Der deutsche Disney-Zeichner Jan Gulbransson ließ sich auf seiner Tour durch die Medien für seine Reihe "Die Ducks in Deutschland" auch über Micky aus und kommt dabei zu folgendem Urteil: "Micky ist ja ein extrem neugieriger Typ, der sich überall einmischt und alles besser weiß. Das macht ihn auch eher unsympathisch." (hier ab 3:13 – aber Achtung, Verblödungsgefahr!) An anderer Stelle meint Gulbransson, er habe sich "immer strikt geweigert", Micky zu zeichnen, "weil er mich einfach als Charakter überhaupt nicht interessiert".
Ich habe ja wie gesagt nichts dagegen, dass man seine Sympathie zu Donald Duck auszudrückt. Bei Einigen scheint es aber Gewohnheit zu sein, im gleichen Atemzug dann auch noch die eigene Abneigung gegen Micky auszudrücken. Man bekommt das Gefühl, es sei eine Entweder-Oder-Frage: Entweder man mag Donald Duck, oder den langweiligen Besserwisser Micky Maus.


Und hier stellt sich mir die Frage: Warum ist das so? Warum richtet man an Micky den widersinnigen Vorwurf, nicht so zu sein wie Donald? Warum kann man die Unterschiede zwischen den beiden nicht anerkennen und gleichzeitig akzeptieren, dass es zwei unterschiedliche "Universen" gibt, die nebeneinander existieren? Das erhöht doch nur die Vielfalt in Entenhausen. Klar: Es steht jedem frei, eine Figur zu mögen oder nicht zu mögen, letztendlich kommt es aber meiner Meinung nicht unbedingt auf die Figuren selbst an, sondern auf das, was man aus ihnen macht. Oder, präziser gesagt: Auf die Story, die man um sie herum baut. Und sowohl bei den Ducks als auch bei den Mäusen gibt es großartige Meisterwerke, die man immer und immer wieder lesen kann, aber eben auch ganz grauenhafte Geschichten, die man nach der Lektüre am liebsten wieder vergessen würde. Jan Gulbranssons erwähnte Serie "Die Ducks in Deutschland" ist denke ich für letztere Kategorie ein treffendes Beispiel.
Genauso steht es außer Frage, dass es viele schlechte Micky-Geschichten gibt – teilweise auch solche, in denen sich der Protagonist tatsächlich wie ein Besserwisser benimmt. Leider. Auf der anderen Seite stehen allerdings auch viele tolle, gelungene Storys – einige davon wurden hier von verschiedenen Usern rezensiert. Etwa in den Geschichten von Autoren wie Tito Faraci, Casty oder Francesco Artibani hat man das Gefühl, dass sie die Figur Micky Maus nicht nur verstanden haben, sondern auch wirklich mögen. Gleiches gilt natürlich auch für solche Legenden wie Romano Scarpa und Floyd Gottfredson, welche für das Maus-Universum die beiden prägendsten Künstler waren. Im Laufe von 85 Jahren haben leider aber auch viele Mickys Geschicke gelenkt, bei denen dies nicht der Fall zu sein schien. Und leider erschienen gerade von diesen viele Geschichten auf Deutsch, während beispielsweise ein Floyd Gottfredson von Ehapa stets stiefmütterlich behandelt wurde. Ich kann nur jedem wärmstens empfehlen, sich die amerikanische Gottfredson-Ausgabe von Fantagraphics zu kaufen und die anfängliche Entwicklung der Figur zu verfolgen.

Aber wie dem auch sei: An der Unbeliebtheit von Micky wird sich auch in den nächsten Jahren wohl nichts ändern. Jeder, der ihn nicht mag, wird seine (möglicherweise) guten Gründe dafür haben und an ihnen festhalten. Es ist allerdings wenig zielführend, Micky und Donald permanent gegeneinander auszuspielen. Zwei Donalds braucht es nicht.

Alles Gute zum Geburtstag, Micky. Ich mag dich.

von 313er


Zuletzt aktualisiert: 18.11.2013, 14:12
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