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Ein eisiges, episches Abenteuer

ÜBER "DAS EWIGE IMPERIUM"



Storycode: I TL 3091-5 (Prolog) und I TL 3092-2P
Originaltitel: Topolino e l’impero sottozero
Deutscher Titel: Das ewige Imperium
Seitenanzahl: 109 (3-reihig)
Autor & Zeichner: Casty
Erstveröffentlichung: 24. Februar 2015 (Italien, Topolino 3091-3094)
Deutsche Veröffentlichungen: Lustiges Taschenbuch Maus-Edition 8

Casty, der "Star" unter den aktuellen Autoren von langen Micky-Geschichten, hat bereits 2007 von einer "Atömchen-Trilogie" gesprochen, die dem Original-Zyklus von Romano Scarpa gerecht werden sollte. "Das ewige Imperium" ist momentan eine der wenigen neueren italienischen Geschichten in den Inducks-Top-100 – das heißt dann wohl: Mission mehr als erfüllt!

Vor Veröffentlichung der ersten Atömchen-Geschichte hatte Casty bereits alten Figuren wie Gamma, Fips, Mortimer, dem Schwarzen Phantom und dem dichtenden Spion neues Leben eingehaucht und zudem einige neue Figuren wie Superjux, Bibbi Beluga, Agentin Uma und Dr. Tabea Trifftig (eigentlich Eurasia Tost) erfunden. All das sind Gründe für Castys Beliebtheit bei vielen Fans von Micky Maus. Aber auch seine interessanten Grundideen und seine Fähigkeit, eine Geschichte nach allen Regeln der Kunst aufzubauen, spielen natürlich eine enorm wichtige Rolle.

Inzwischen sind alle drei Atömchen-Geschichten in Deutschland veröffentlicht - zwei davon hat Casty auch selbst gezeichnet, eine wurde von Lorenzo Pastrovicchio umgesetzt. Während "Gefangen in der Dimension der Schatten" eine atmosphärisch dichte Krimigeschichte mit starken Anlehnungen an Scarpas Atömchen-Geschichten "In der vierten Dimension" und "Die Irokesenkette" ist und "Launische Teilchen" als quirlige Gagstory daherkommt, schlägt das Epos "Das ewige Imperium" in eine ganz andere Kerbe. Wenn überhaupt, erinnert die Geschichte noch am ehesten an "Auf den Spuren der Indianer"; nicht zuletzt deswegen, weil Casty den Historiker Samuel Spinnweb aus diesem Scarpa-Klassiker wiederbelebt hat. Aber noch mehr erinnert "Das ewige Imperium" an Don Rosa (!) - die realistischen und detaillierten Zeichnungen lassen diese Assoziation ebenso zu wie die enorm komplexe und dramaturgisch vollendet aufgebaute Story. Auch Rosas Vorbild Carl Barks rückt in greifbare Nähe. Immerhin lässt es sich Casty (ähnlich wie bei seinen Tabea-Trifftig-Geschichten) nicht nehmen, allerhand uralte Mythen überzeugend miteinander zu verweben und hier zu erklären. Und alles hat mit der sagenumwobenen Stadt Agartha zu tun…

Die Geschichte ist in Italien in vier Teilen erschienen: der mysteriöse Prolog ohne bereits bekannte Figuren (eine gewisse Ähnlichkeit zu der Einleitung in "Die Welt der Zukunft" lässt sich kaum abstreiten), Teil 1 (der vorwiegend in Moskau spielt und mit der Zugfahrt nach Frostanien endet), Teil 2 (spielt hauptsächlich in Zerograd [der Hauptstadt von Frostanien] und endet mit dem Aufbruch nach Agartha) und Teil 3 (der Showdown in Agartha). In Deutschland konnten Fans die über 100 Seiten direkt am Stück lesen, ohne dabei jeweils eine Woche auf die Fortsetzung warten zu müssen. Die Cliffhanger sind aber nach wie vor gut erkennbar, zudem wurden die Angaben "Teil 1", "Teil 2" und "Teil 3" glücklicherweise in den jeweiligen Eröffnungspanels belassen. Dass der Comic die Maus-Edition Nr. 8 eröffnet und zudem auch das dazugehörige, ebenfalls von Casty gestaltete Cover den Band zieren darf, spricht schon mal für "Das ewige Imperium".

Zur Story: Micky, Atömchen und Samuel Spinnweb sind in Moskau. Dort treffen sie auf die wunderbare Elis, die, wie sie kurz darauf herausfinden, eigentlich Tabea heißt. [Anmerkung: Tabia im Original, die Namensgleichheit mit Dr. Trifftig kam erst in der Übersetzung zustande.] Elis verdient als brillante Eiskunstläuferin ihr Geld – aber es wird schnell klar, dass das nicht alles ist. Spätestens als ein Schneemann spurlos verschwindet. Plötzlich wird sie entführt und übergibt Micky in letzter Sekunde eine Phiole (ein Fläschchen, das mit einer Flüssigkeit gefüllt ist), und schon steckt er schon wieder bis zum Hals in einem neuen Abenteuer!
Die drei Freunde machen sich auf den Weg zu ihrem Beschützer Ulian, um von ihm mehr zu erfahren. Doch dieser hat Besuch – und zwar keinen angenehmen: ein "tropfender Kerl" (!) und zwei Agenten aus Frostanien, das Land, das Tabea entführen ließ. Dort herrschen aktuell der Fünferrat der Minister und der geheimnisvolle, angsteinjagende Fürst Drageo und sie haben ein Ziel…
Die beiden Agenten bedrohen Micky, damit er die Phiole herausrückt. Doch er und seine Freunde können dank Atömchens Fähigkeiten fliehen. Ulian erzählt daraufhin die ganze Geschichte und sie ist beeindruckend, denn Tabea ist anscheinend die einzige auf der ganzen Welt, die weiß, wo das sagenumwobene Agartha liegt. In diesem mystischen Königreich soll es lange vor unserer Zeit bereits hochentwickelte Menschen (sogenannte Hyperboreer oder Kryonen) und mysteriöse Tiere gegeben haben, die allesamt hauptsächlich aus Eis bestanden.

Micky, Atömchen und Samuel wollen Ulian und Tabea helfen. Sie reisen nach Frostanien – hier kann einem wirklich ein kalter Schauer über den Rücken laufen, aber noch nicht mal in erster Linie wegen der eisigen Witterung, sondern aufgrund des totalitären Regimes, das einerseits bei einer Militärparade demonstrative Bewunderung vom Volk erhält, andererseits aber schon viele Bürger mit seiner Politik ins Ausland getrieben hat. Ganz offensichtlich verfolgt der regierende Ministerrat zusammen mit Fürst Drageo eine Art Welteroberungsplan. Als unser Trio die vor dem Volk auf dem Balkon präsentierte Tabea befreien will, gehen sie in die Falle. Die Lage spitzt sich dramatisch zu, als Fürst Drageo seine verlorengegangene Erinnerung an die Lage Agarthas wiederbekommt. Und es ist alleine Samuel Spinnwebs Schusseligkeit zu verdanken. Aber Drageo hat nicht nur den Plan, Frostanien durch besondere Kristalle zu einem technischen Fortschritt (den die Kryonen, die Bewohner Agarthas, wie auch er selbst einer ist, schon zuvor genutzt hatten) zu verhelfen, sondern er will mithilfe seiner Kryokanone eine neue Eiszeit herbeiführen und die ganze Welt mit Schnee und Eis überschütten!
Atömchen, geschwächt vom Kampf mit Drageo, hat seine Kräfte nicht mehr richtig unter Kontrolle, was dazu führt, dass unsere Helden zwar entkommen können, aber schutzlos in einer Eiswüste landen, während Drageo und die Frostanier unaufhaltsam in Richtung Agartha marschieren…

Wir wollen an dieser Stelle nicht noch mehr von der Handlung verraten (was auch gar nicht so einfach ist angesichts der enormen Vielschichtigkeit). Nur so viel: Die Geschichte entwickelt einen unglaublichen Sog, sodass man, einmal angefangen, das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen mag. Der Humor spielt keine sonderlich große Rolle, zumindest einen Running Gag gibt es aber schon (der sich stetig verkleinernde regierende Rat von Frostanien). Auch das Gummi-Taxi kann man als Slapstick-Action noch zu den lustigeren Szenen zählen. Am Ende kommen noch einige überraschende Wendungen hinzu und plötzlich spielt auch eine Liebesgeschichte eine Rolle… Alles in allem ist "Das ewige Imperium" ein Epos mit jeder Menge Dramatik und teilweise nervenzerfetzender Spannung – sowieso eine Stärke Castys, hier jedoch übertrifft er sich wirklich selbst.
Und das gilt auch für seine Zeichnungen. Wie oben bereits angedeutet, hat er sich, was Hintergründe angeht, seit seinen Anfängen enorm weiterentwickelt. Da ist dann auch immer wieder Platz für atemberaubende Splashpanels und beeindruckende Eislandschaften, typischer sind die bizarren Gerätschaften (hier v.a. die Kampfmaschinen der Frostanier). Die mal ausnahmsweise nicht bonbonbunte Kolorierung (wie sonst oft bei Casty) trägt ein Übriges dazu bei. Die vielen neuen Figuren sind allesamt individuell und markant in Szene gesetzt – Tabea, Drageo, Ulian, aber auch die zwar hübsche, jedoch machthungrige und skrupellose Ministerin Aljoska, die in der Geschichte ebenfalls eine tragende Rolle spielt und so eiskalt agiert, dass man sie selbst fast für eine Kryonin halten könnte!
Schon der 1. Teil des Zyklus (das oben erwähnte "Gefangen in der Dimension der Schatten") war eine sehr gelungene Story, aber "Das ewige Imperium" ist wohl Castys Meisterstück: Ein Comic, den man immer wieder lesen und dabei ständig neue Details entdecken kann (z.B. die Anspielung auf "In der vierten Dimension" auf S. 98). Aber es ist noch viel mehr als das. Es ist ein Werk von beeindruckender visueller wie inhaltlicher Dichte, praktisch makellos in seiner Ausführung - und einer der wenigen Comics, die man wirklich als "große Literatur" bezeichnen kann. Spätestens jetzt ist Andrea "Casty" Castellan zur lebenden Comiclegende geworden und kann sich in die Ruhmeshalle der größten Comic-Künstler aller Zeiten einreihen. Ganz großes Kino! Unbedingte Leseempfehlung, nicht nur für Micky- und Atömchen-Fans!

PS: Anscheinend plant Casty auch noch mindestens eine weitere Geschichte mit dem kleinen blauen Kerl, der Titel "La citta senza cielo" ("Die Stadt ohne Himmel") wurde zumindest schon mal in einem Interview erwähnt.


von Donald-Phantomias und Spectaculus (Februar 2018)




Zuletzt aktualisiert: 01.05.2023, 14:30
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