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De Vitas Meisterwerk

ÜBER "DAS GLÄSERNE SCHWERT"


Die Reise führt Micky und Goofy durch ganz Asgardland

Storycode: I TL 1411-BP
Originaltitel: Topolino e la spada di ghiaccio
Deutscher Titel: Das Gläserne Schwert
Seitenanzahl: 102 (3-reihig)
Autor & Zeichner: Massimo De Vita
Erstveröffentlichung: 12.-26. Dezember 1982
(Italien, Topolino 1411 bis 1413)
Deutsche Veröffentlichungen: Lustiges Taschenbuch 124, LTB Spezial 9, Enthologien 16, LTB Fantasy 2

Wer kennt sie nicht, die berühmte Asgardland-Saga, bestehend aus "Das Gläserne Schwert", "Das Turnier von Asgardland", "Die Rückkehr des Fürsten von Niflheim" und "Der große Schlaf"? Heute werden wir einmal einen genaueren Blick auf das erste dieser vier Fantasy-Abenteuer werfen.

Wir starten in... nein, nicht in Entenhausen, sondern in Ululand, das sich in Asgardland in einer anderen Dimension befindet. Schon auf den ersten Seiten werden wir mit neuen Figuren und deren Problemen konfrontiert: Die Bewohner von Ululand sind in Not. Der derzeit über halb Asgardland herrschende Fürst von Niflheim fordert viel zu viele Steuern und Abgaben, die bald wieder fällig sind. Jor, der höchste Gelehrte, erzählt den Bauern, wie ein Mensch aus einer anderen Dimension, Alf, einst den Fürsten mit dem Gläsernen Schwert besiegte. Da sich dieser jedoch inzwischen wieder befreien konnte, wird nun versucht, einen Nachfahren Alfs in einer anderen Dimension ausfindig zu machen, um den grausamen Herrscher erneut zu stürzen. Fridthjof, so der Name des für die Reise auserwählten Bewohners, landet zufälligerweise genau vor Mickys Haus. Micky und Goofy bemerken dies sofort und reisen dann mit Fridthjof nach Asgardland, wobei sich Goofy aus Mitleid als Vetter von Alf ausgibt.
So machen sich Micky und Goofy also zusammen mit Fridthjof auf den Weg durch ganz Asgardland, um mit dem Gläsernen Schwert die Bewohner vor der Unterdrückung zu befreien. Unterwegs machen sie unter anderem Bekanntschaft mit der hinterhältigen Göttin des Helsumpfes, mit Gunni Helm, einem pfiffigen Troll mit Pfeil und Bogen, der einen sicheren Weg zum Land der Riesen kennt, oder mit dem Riesenkönig Utgard.

Das alles wird auf stolzen 102 Seiten erzählt, wobei die Geschichte aber dank ihrer außergewöhnlichen Handlung immer kurzweilig und atmosphärisch dicht bleibt. Dies liegt nicht zuletzt an den Grafiken von Massimo De Vita, die Stimmung kommt nämlich immer dann am besten herüber, wenn der Autor die Geschichte selbst bebildert. Die Zeichnungen ziehen einen in einen magischen Bann, sodass man die Geschichte von der ersten bis zur letzten Seite nicht mehr weglegen will. Und nicht nur die Figuren sind lebensecht gezeichnet, auch die traumhaften Landschaftsbilder Asgardlands überzeugen durch ihre wunderbare Atmosphäre, Realitätsnähe und liebevollen Details! Außerdem wurden atemberaubende Perspektiven gewählt, gerade bei den Naturbildern, die Panels passend aufgeteilt und lebhaft koloriert. De Vita am Höhepunkt seines Schaffens – Disney-Herz, was begehrst du mehr?
Auch als Autor zeigt der Mailänder seine Qualitäten: Anders als bei manch anderen Comics fängt die Handlung nicht müde und schleppend an, sondern der Leser wird sofort mit einer neuen, liebens- und denkwürdigen Welt vertraut gemacht, was einen ganz besonderen Reiz ausmacht.

Man sieht es den Zeichnungen an, dass De Vita Spaß an der Sache hatte
Ein weiterer Pluspunkt für Handlung wie Zeichnung ist der ständige Orts- und damit verbundene Klima- und Vegetationswechsel. Dadurch bleibt die Geschichte immer unvorhersehbar, immer kann man überrascht werden, wobei es gegen Ende besonders brenzlig und fesselnd wird. Alle paar Seiten wandern unsere Helden durch eine andere traumhafte Landschaft, als ob sie mit Lichtgeschwindigkeit mehrere Länder durchqueren würden. Das erzeugt eine hohe atmosphärische Erzähldichte, was die Asgardland-Saga von (fast) allen anderen Maus-Storys unterscheidet. Doch nicht nur De Vita ist zu danken, sondern auch dem Autor von "Herr der Ringe", J. R. R. Tolkien, dessen Grundidee hier grob übernommen wurde (ein magischer Gegenstand muss auf einen Berg transportiert werden, um das Böse zu bekämpfen). Das Besondere ist hier aber das Engagement De Vitas für die Geschichte, man sieht auf jeder Seite, dass er sich hier besonders viel Mühe gegeben hat.

Vorliegendes Werk ist eigentlich eine Weihnachts-Story, das bemerkt man gleich auf den ersten Seiten. Nicht zuletzt deshalb erschien sie zu Weihnachten 1982 im "Topolino", also gerade in der Blütezeit von De Vitas Schaffen. Zumindest als Autor bewies er in dieser Periode häufig sein Talent, Kostproben bieten "Das Geheimnis von Psathoura", "Der geheimnisvolle Kontinent Mu" oder eben Asgardland, Teil 1. Im deutschsprachigen Raum wurde das Werk im Dezember-LTB des Jahres 1987 veröffentlicht, zusammen mit zwei der drei weiteren Episoden – nur leider um drei Seiten gekürzt: Die vollständige Version kann auf Deutsch gar nicht gelesen werden! Die Geschichte beginnt mit dem "Kapitel I", was vermuten lässt, dass auch weitere Kapitel folgen werden. Dies ist allerdings in LTB 124 nicht der Fall, der Leser fragt sich ständig, wann denn endlich das zweite Kapitel anfängt. Das ist sehr schade, denn die fehlenden Splashpanels der weiteren Teile sind ein Augenschmaus, eine davon wäre die nebenstehende, sehr detailreiche Zeichnung der Landschaft Asgardlands gewesen. Zum Glück wurden diese beiden Seiten dann später in LTB Spezial 9 nachgedruckt (dennoch fehlt erneut die gleiche dritte Seite). Liebhabern wird daher empfohlen, auf diese Ausgabe oder den entsprechenden Enthologien-Band zurückzugreifen. Aber zum Trost: Die vollständige Fassung ist nur extrem selten in wenigen Ländern abgedruckt worden.


Ein magischer Moment
An der Geschichte selbst gibt es eigentlich kaum etwas zu meckern. Die Zeichnungen hätten einfach nicht besser sein können und die Handlung ist dicht und passend aufgebaut. Hier und da gibt es einige unschöne Handlungselemente, zum Beispiel dass Lebewesen einfach so verschwinden – mit der zu schwachen Erklärung "Das musst du daheim in einem schlauen Buch nachlesen" –, aber das darf Fantasy. Auch der Humor kommt nicht zu kurz, ein paar witzige Sprüche Goofys sind vorhanden, mit köstlichen und passenden Zeichnungen. Es sind zwar nicht so viele Gags wie in manch anderen Geschichten vorhanden (Stichworte "Faraci" und "Ziche"), aber hier ist weniger mehr, da wir eben in der Sparte Fantasy sind und zu viele Witze die Geschichte albern und banal wirken lassen würden. Was außerdem noch schade ist, ist der relativ schnelle Schluss: Goofy steckt das Schwert in den Berg (siehe nebenstehendes Panel) und schon ist die Geschichte nach nur vier Seiten beendet. Auch erschließt sich mir das Ende nicht komplett: Wie soll ein Schwert so viel Licht aussenden und dadurch sogar die Untertanen des Fürsten beseitigen können? Antwort auf nahezu alles: Es ist Fantasy. Doch selbst dafür scheint es mir an jener Stelle etwas zu dick aufgetragen, vielleicht ist das schnelle Ende ja auch nur die Folge einer Seitenbegrenzung.

Oft wird der italienischen Maus nachgesagt, sie wäre zu besserwisserisch und verstünde keinen Spaß. Diese Vorurteile können sich bei dieser Geschichte nicht bestätigen, im Gegenteil, Micky verhält sich stets hilfsbereit und nie aggressiv. Auf der anderen Seite weist er auch keine Eigenschaften des modernen dänischen Mäuserichs auf, in dieser Geschichte benimmt er sich von den Hauptfiguren am vernünftigsten, indem er beispielsweise ein natürliches Maß von Angst hat. Goofy hingegen, der als "Vetter von Alf" in dieser Geschichte eine wichtige Rolle erhält, wirkt durch seine Sturheit zunächst sehr mutig, was sich jedoch als ein Trugschluss herausstellt – siehe Seite 76, wo er erst keine Angst vor Riesen zeigt und anschließend vor einem Fußabdruck derer erschrickt.
In der Geschichte werden auch viele neue Figuren eingeführt, die später in den weiteren Teilen der Saga dann erneut verwendet wurden. Die wichtigste davon ist wohl Fridthjof, der Begleiter von Micky und Goofy, der sich im Laufe der Handlung sehr unterschiedlich verhält: Zu Beginn spielt er den ängstlichen "Drückeberger", dennoch ist er listig und gleichzeitig ängstlich. Außerdem ist der greise, aber weise Jor noch erwähnenswert, der hier das Wissen verkörpert.
Auf der anderen Seite wäre da natürlich noch unser Kontrahent Niflhard, vergleichbar zwar am ehesten noch mit dem Schwarzen Phantom (beide haben eine Maske auf), dennoch sind Unterschiede durchaus vorhanden, indem der Fürst andere, neue Eigenschaften wie beispielsweise seine Unsichtbarkeit besitzt. Er wirkt noch viel bedrohlicher als das moderne italienische Phantom, noch kälter, noch böser, noch furchteinflößender, noch listiger.

Jor, Fridthjof und Gunni Helm als Helfer von Micky und Goofy

Mit Asgardland hat Massimo De Vita eine wunderbare Welt geschaffen, die nach vier Folgen eigentlich noch gar nicht vollständig erkundet wirkt – rein theoretisch ist jederzeit eine Fortsetzung möglich, denn die Ideen sind längst nicht verbraucht. Wenn es hunderte von Geschichten in Entenhausen gibt, wieso sollte es dann auch nicht mehrere von Asgardland geben? Allerdings ist das sehr unwahrscheinlich, da nach einigen Jahrzehnten leider kein Künstler mehr an die Fortsetzung denkt, insbesondere De Vita nicht, da er sein Amt als Autor längst abgegeben hat. Dennoch bleiben uns gleich vier Storys über das fantastische Asgardland.

Dieses Meisterwerk darf zu den stimmungsvollsten Geschichten gezählt werden, die überhaupt im LTB erschienen sind, daher gehört dieses Abenteuer auch in jedem Fall zu den besten Maus-Comics; und jeder, der es noch nicht gelesen hat, hat wirklich etwas verpasst! Also eine eindeutige Leseempfehlung!

Von Topolino (Juli 2016)

Zuletzt aktualisiert: 01.05.2023, 14:41
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