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Freund oder Feind?

ÜBER "IM STRUDEL DER ZEIT"



Storycode: I TL 2243-1
Originaltitel: Topolino e il fiume del tempo
Deutscher Titel: Im Strudel der Zeit
Seitenanzahl: 50 (3-reihig)
Autoren: Tito Faraci & Francesco Artibani
Zeichner: Corrado Mastantuono
Erstveröffentlichung: November 1998
Deutsche Veröffentlichung: LTB 267

Mit den Ausgaben 267 und 268 wurde im LTB der Jahreswechsel von 1999 auf 2000 ziemlich pompös gefeiert. Der erstgenannte Band war jedoch nicht nur in quantitativer Hinsicht außergewöhnlich, sondern enthielt mit "Im Strudel der Zeit" eine Geschichte, die man getrost zu den besten Maus-Comics der letzten 20 Jahre zählen kann.

Die von Tito Faraci und Francesco Artibani erdachte Geschichte beginnt damit, dass Kater Karlo eines Morgens unangekündigt in Mickys Wohnung auftaucht. Der Grund: Durch den Bau eines Staudamms ist der Wasserspiegel des Entenhausener Entenbachs gesunken, sodass es nun möglich ist, die am berüchtigten Teufelshorn untergegangenen Schiffe zu bergen. Eins davon ist die "Steamboat Willie", mit der Micky und Karlo einst in See gestochen sind und die durch eine Explosion des Dampfkessels gesunken ist. Gemeinsam wollen die beiden nun das Schiff an die Oberfläche bringen und unternehmen so eine Reise in ihre eigene Vergangenheit. Bei ihren Bergungsversuchen bleiben sie jedoch nicht unbeobachtet...


Nostalgische Gefühle?
In Italien erschien "Im Strudel der Zeit" ursprünglich im November 1998 zu Mickys 70. Geburtstag, doch die Geschichte funktioniert auch ohne den Jubiläums-Bezug. Denn anhand der Inhaltsbeschreibung bemerkt man vielleicht bereits, dass die Geschichte nicht so viel mit "Steamboat Willie" (dem ersten, 1928 veröffentlichten Micky-Maus-Cartoon) zu tun hat, wie man anfangs vermuten könnte, sondern vielmehr für sich alleine steht. Und sie steht nicht nur für sich alleine, sondern überzeugt mit einer so noch nie da gewesenen und cleveren Story, die zu keinem Zeitpunkt vorhersehbar oder langweilig ist. Die 50 Seiten, die diese Geschichte umfasst, vergehen wie im Flug. Ein großer Pluspunkt ist dabei vor allem der Humor. Allein schon die Anfangssequenz, in der Micky die plötzliche Anwesenheit seines Erzfeindes gelassen zur Kenntnis nimmt, ist grandios.
Hier deutet sich schon an, dass die Geschichte vor allem von der hervorragenden Dynamik zwischen Micky und Karlo getragen wird. Sowohl die körperlichen als auch die wörtlichen Schlagabtäusche zwischen den beiden sind gelungen und bereiten dem Leser ein stetiges Vergnügen.

Der Strudel der Zeit in Mickys Waschbecken
Es braucht hier also gar keinen klassischen Kriminalfall à la Gottfredson oder Scarpa, die Geschichte zeichnet sich vielmehr durch die ungewöhnliche Beziehung der beiden Akteure aus. Insofern schadet es auch überhaupt nicht, dass Goofy diesmal "nicht mit durfte".

Die Autoren Tito Faraci und Francesco Artibani waren beide zum damaligen Zeitpunkt noch nicht lange bei Disney-Italia aktiv. Artibani hatte zuvor Gundel Gaukeley und ihre Verwandtschaft imposant in Szene gesetzt (siehe u.a. "Der Allmachts-Stein" in LTB 213), während sich Faraci vor allem mit "Kommissar Issels lange Nacht" (LTB 239) einen Namen gemacht hatte. Komplettiert wird dieses "Dreigestirn" von Corrado Mastantuono, welcher als Zeichner hier ebenfalls hervorragende Arbeit geleistet hat. Der Stil des Römers orientiert sich an Giorgio Cavazzano, hat wohl aber auch eine Spur von Massimo De Vita inne - man kann sich durchaus schlechtere Zeichner zum Vorbild nehmen.
Dabei ist hervorzuheben, dass die Zeichnungen vor allem perspektivisch sehr interessant sind. So gibt es beispielsweise "Nahaufnahmen" des Waschbeckens in Mickys Badezimmer oder von der Chipstüte, die sich Micky und Karlo teilen. Damit korrespondieren die Zeichnungen auch mit der außergewöhnlichen erzählerischen Struktur. Gemeint sind damit vor allem die zahlreichen "stillen Dialoge": Es gibt es etwa 40 Panels in der Geschichte, welche ohne eine Sprechblase auskommen. Selbst innerhalb von Dialogen wird oftmals eine Pause durch ein wortloses Panel gesetzt. In dieser Hinsicht macht vor allem Seite 107 nachhaltigen Eindruck, weshalb diese hier noch einmal in Gänze präsentiert werden soll:


Sprache des Schweigens

Diese Szene ist beispielhaft dafür, wie es das Autorengespann schafft, einerseits eine melancholische Stimmung zu entfachen (im wahrsten Sinne des Wortes), andererseits aber auch mit pointiertem Humor zu unterhalten. Zudem kommt hier auch eine gewisse Tollpatschigkeit bei Micky zu Tage, wie sie in früheren Jahren noch häufiger vorkam, in den heutigen italienischen Geschichten aber eher selten ist. Im Gegensatz zu den Egmont-Geschichten neuerer Zeit verkommt Micky dabei aber nicht zu einer Witzfigur, sondern stellt im weiteren Verlauf der Geschichte einmal mehr seine Fähigkeiten als clever kombinierender Detektiv unter Beweis. Auch Karlo kommt facettenreicher daher als in vielen anderen Disney-Comics, welcher hier nicht nur seine gewohnte gaunerische, sondern auch eine nostalgische und freundschaftliche Seite zum Vorschein bringt. Dadurch, dass Micky und Karlo in dieser Geschichte zusammenarbeiten, wird also die klassische Rollenverteilung zeitweilig gebrochen, was deren Verhältnis zueinander umso zwiespältiger und somit interessanter macht. Letztendlich sind jedoch beide - Micky als Detektiv und Karlo als Ganove - ihren jeweiligen Rollen unterworfen, was eine Freundschaft zwischen ihnen unmöglich macht. Insofern wird in der Geschichte das "Katz & Maus"-Spiel zwischen Micky und Karlo reflektiert, welches die beiden schon seit 1928 spielen... und sicherlich noch viele Male spielen werden.

Natürlich kann man diese Interpretation als zu hochgestochen einstufen - in jedem Fall aber bleibt die Geschichte ein Heidenspaß. Tito Faraci, Francesco Artibani und Corrado Mastantuono haben es mit "Im Strudel der Zeit" geschafft, eine ganz spezielle Stimmung aufzubauen, welche aus einer einzigartigen Mischung aus lustigen und melancholischen Momenten besteht und gerade für eingefleischte Maus-Fans eine absolute Empfehlung darstellt.

Von 313er (Mai 2012)

Zuletzt aktualisiert: 01.05.2023, 14:48
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