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Micky Monster Maus


Das Cover vom "Micky Maus Album Nr. 1"
Die zweite Hälfte der 90er waren eine interessante Zeit für die Figur Micky Maus. Rund um ihren 70. Geburtstag im November 1998 erlebte sie eine Welle von streitbaren Veränderungen, die von den Verantwortlichen auch gerne als revitalizing bezeichnet wurde.

Micky Maus war damals, bis auf seine Rolle als Aushängeschild von Disney, nur schwach in den Medien vertreten, gerade im Vergleich zu anderen Charakteren - das hat sich bis heute kaum geändert. Dennoch, oder vielleicht gerade deswegen, wollte man wegkommen vom alten, zu biederen Micky und wieder zurück zu den Anfängen, wie sie in den ersten Trickfilmen und den Strips von Gottfredson zu sehen waren. Primär zog man ihm seine kurze rote Hose wieder an, womit er definitiv nicht mehr wie eine Person von dieser Welt aussah. Dazu sollte der "neue alte" Charakter wieder her, der mehr Ecken und Kanten hatte und somit interessanter sein sollte.

Wie es genau dazu kam, lässt sich im dichten Dunstkreis von Disney und seinen Lizenznehmern kaum sagen - in Italien beispielsweise änderte sich bekanntlich nichts. Egmont in Dänemark dagegen nahm sich dieser Entwicklung an. Wie gesagt war Micky in den Medien nicht gerade sehr präsent, am meisten aber immer noch in den Comics. Bereits vor dem Jubiläum wurden die Geschichten für das vierreihige Heftformat auf den neuen Micky umgestellt. Etwas später folgte auch die Produktion für das dreireihige Taschenbuchformat, 2000 erschien die erste Geschichte im LTB.

Dennoch tat sich kurz zuvor auch etwas ausserhalb der Comics. Aus welcher Motivation auch immer wurde der siebenminütige Trickfilm "Runaway Brain" produziert und erstmals 1995 im Kino vor diversen Disney-Filmen gezeigt. Der sehenswerte Kurzfilm wurde sogar für einen Oscar nominiert. Es war der erste Film mit Micky in der Hauptrolle seit Ewigkeiten, seit den frühen 50ern wurde er kaum noch in bewegten Bildern gesehen; und er ist bis dato auch sein letzter richtiger Film - und er zeigte bereits den neuen Micky mit den kurzen Hosen, der lieber Videogames spielte, als sich um Minni zu kümmern.

Die Auswirkungen des Filmes auf die Comics waren direkter, als man denken könnte. Produziert wurde in Frankreich, das selbst auch eine bescheidene Anzahl Comics herausbrachte. Der Gedanke lag also nahe, den Film zu adaptieren. Damit beauftragt wurde der Deutsche Ulrich Schröder, der damals wie heute dort arbeitete und selbst ja auch vom Film kam. "Mickey perd la tête" bzw. auf Deutsch "Micky Monstermaus" kam im Juni 1996 heraus und gilt somit als einer der ersten Auftritte des neuen Micky.

Bereit für den Bodyswitch
Ziemlich genau zeitgleich wurden auch die ersten dieser Storys aus Dänemark herausgegeben. Inzwischen ist das Projekt im dreireihigen Bereich wieder eingegangen, im Heftformat wird es aber bei Egmont wie auch bei Hachette in Frankreich bis heute weitergeführt.

Wenn man sich den Film und den Comic dazu ansieht, kann man sagen, dass die Frischzellenkur mit einem wahren Paukenschlag eingeläutet wurde. Der Film wurde vom 1933-er Cartoon "The Mad Doctor" inspiriert, der damals als sehr düster galt und auch "Runaway Brain" ist nicht unbedingt harmlos. Im Comic macht sich das dann erst recht bemerkbar. Es geht darum, dass Micky das dubiose Angebot eines noch viel dubioseren Wissenschaftlers aus Geldnot annimmt, und in der Folge in einem Experiment seinen Körper bzw. sein Gehirn mit dem groben Gehilfen des Professoren, Lucius (der Kater Karlo ähnelt) tauscht. Herauskommt ein sabbernder Micky mit irrem Blick und spitzen Zähnen, der Jagd auf Minni macht - das ist sogar mehr, als sich die dänischen Autoren je ausgedacht haben.

Bis auf seine Entstehungsgeschichte und seine Motive ist der Comic allerdings nicht besonders interessant. Man merkt, dass er auf einem Film basiert, es gibt wenig Text und die Bilderabfolge erinnert an Storyboards. Die Geschichte wird somit ganz von der Action dominiert, auf sechzehn Seiten passiert gar nicht allzu viel, auf jeden Fall weniger, als in einer gewöhnlichen Story dieser Länge. Es gibt dann auch eine anderthalbseitige Szene, die mit folgenden Worten eingeleitet wird: "Damit der geneigte Leser Mickys Mut und Geschicklichkeit auch gebührend bewundern kann, lassen wir die folgenden 30 Sekunden in Zeitlupe ablaufen...". Und dann kommt eine Reihe gleichförmiger, stiller Panels. Nicht immer ist die Umsetzung ganz gelungen, es kann helfen, den Film gesehen zu haben, um einige Details richtig zu verstehen.


Der neue Micky ist gefährlich

"Micky Monstermaus" ist bei uns eine Rarität, ein einziges mal wurde die Geschichte abgedruckt, und zwar 1997 in einem Album zusammen mit Gottfredsons "Micky im Bann der Höllenstrahlen" aus dem Jahre 1933. Das ist nur folgerichtig, schliesslich ist auch dort der Plot ähnlich unzimperlich und vergleichsweise düster: auch hier wird Micky (zusammen mit Rudi) in das Schloss dreier gefährlicher Wissenschaftler gelockt, die ihre Hypnosestrahlen an ihnen ausprobieren wollen und dabei keine Gefangenen machen.

Scribbles von Ulrich Schröder
Abgerundet wird der Band mit einem Vorwort von Klaus Strzyz, der unter anderem auch als Übersetzer tätig ist, wo die Hintergründe der Monstermaus und des durchgebrannten Hirnes erläutert werden. Etwas zu überschwänglich lobt er Schröders Comic für dessen visionären Ansatz, Micky ganz neu zu definieren.

Im Nachhinein hat er aber gar nicht so unrecht. Der Film von 1995 nimmt die neue Entwicklung vorweg, die Adaption ist einer ihrer allerersten Schritte in den Comics, und bis zum runden Geburtstag, oder bei den Dreireihern noch zwei Jahre länger, war die Transformation vollzogen. An vielen Ende wurde dieser neue Standard damals geprägt, der inzwischen seit über zehn Jahren das offizielle Gesicht von Micky Maus darstellt. Wer wissen will, wie es dazu kam, der sollte einen Blick auf die "Monstermaus" werfen.

von Sir Damian McDuck

Zuletzt aktualisiert: 22.10.2018, 17:25
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