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Attila, der Hunnenkönig

Storycode: I TL 1668-A
Originaltitel: Topolino e l'intruso spazio-temporale
Autor: Giorgio Pezzin
Zeichner: Massimo De Vita
Erstveröffentlichung: 1987
Deutsche Veröffentlichungen: LTB 133, LTB Spezial 4, LTB History 3
Inhalt: Im archäologischen Museum Entenhausens wurde eingebrochen, die Zeitmaschine wurde in Gang gesetzt. Schnell finden Micky, Goofy, Zapotek und Marlin heraus, dass es sich um Kater Karlo handelt, der sich wieder an de Zeitmaschine erinnert hat (bereits in "Die Schlacht von Lepanto" unternahm er eine Reise durch die Zeit). Zapotek und Marlin lenken Trudi ab, um Micky die Möglichkeit zu geben, sich in Karlos Arbeitszimmer umzusehen. Dort findet er heraus, dass sich Karlo etliche Bücher über die Hunnen besorgt hat. Goofy findet heraus, dass Karlo ein Hunnenkostüm gekauft hat, folglich steht fest, dass er zu den Hunnen gereist ist.
Verkleidet als Mönche machen sich Micky und Goofy auf Karlos Spur. Sie gelangen zu einem Kloster, welches aber sogleich von Hunnen angegriffen und erobert wird. Micky und Goofy staunen nicht schlecht, denn der Eroberer ist Kater Karlo. Kaum haben die anderen Hunnen das Kloster verlassen, schleicht Karlo in den Keller und findet einen geheimen Raum, der mit Schätzen gefüllt ist. Micky und Goofy folgen ihm zurück zum Herereslager, werden aber entdeckt und von Attila, dem Kater Karlo die Bösartigkeit beibringen will, zum Tod verurteilt. In der Nacht werden sie von Kater Karlo gerettet, der sie jedoch nur als Helfer für den Abtransport seines Schatzes, von dem er den Hunnen natürlich nichts gesagt hat, verwenden will. Attila kommt aber dahinter und lässt alle drei fesseln. Am Ende gelingt den dreien die Reise zurück und Kater Karlo ist so schockiert, dass er gleich den ganzen Trank des Vergessens freiwillig austrinkt.

Historischer Hintergrund: Im 4. Jahrhundert begann die Macht des Römischen Reiches immer stärker zu schwinden, was wohl an einer Vielzahl an Ursachen liegt. Eine wichtige war jedenfalls die Völkerwanderung, die vermutlich von den in Zentralasien oder weiter östlich siedelnden Hunnen ausgelöst wurde, die aufgrund von Nahrungsmittelknappheiten Richtung Westen (übrigens auch Richtung Osten) zogen. Im Zuge ihrer Wanderung trieben sie weitere "Völker" in die Flucht, andere Gruppierungen schlossen sich ihnen an, sodass sich am Ende viele ethnisch heterogene Gruppen auf dem weg befanden, die ab dem späten 4. Jahrhundert ins Römische Reich einfielen. Die Gegenüberstellung von Römern und einwandernden "Völkern" ist übrigens ein historischer Mythos, im 5. Jahrhundert bestand das römische Heer selbst zu einem Großteil aus bereits eingewanderten Gruppen und wurde auch von Nicht-Römern befehligt. Der wichtigste Anführer jener Zeit war jedenfalls der Hunnenführer Attila (im älteren Deutsch Etzel), der um 450 in Gallien einfiel und 451 in der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern besiegt werden konnte (was allerdings noch keineswegs die Bedrohung durch die Hunnen minderte).

1. Die Hunnen waren gefürchtete Krieger.
Das ist natürlich richtig, wobei die Überlieferung stark verzerrend gewirkt hat. Ausgeblendet wird beispielsweise, dass etliche Hunnen auch in römischen Diensten standen. Heute dominiert oft das Bild der schrecklichen, gnadenlosen Hunnen, das nur teilweise Bezug zur Realität aufweist.


2. Im 5. Jahrhundert gab es in Frankreich Klöster, in welchen die umliegenden Bewohner ihre Schätze lagerten.
Die ältesten französischen Klöster entstanden wohl im 4. Jahrhundert (es ist nicht immer ganz klar, ab wann man von Kloster sprechen kann, zudem wurden viele Klöster in der Legende etwas weiter zurückprojiziert oder an wichtige Heilige geknüpft). Die ersten sollen angeblich vom Heiligen Martin gegründet worden sein. Im 5. Jahrhundert gab es tatsächlich schon etliche Klöster in Frankreich. Die Anzahl lässt sich nur schwer schätzen, viele monastische Einrichtungen waren nur vorübergehend und zerfielen bald nach dem Tod ihres Gründers, noch dazu zogen sie wohl nur wenige Mit-Mönche an. Das berühmteste Kloster des 5. Jahrhunderts war jedenfalls die Abtei Lérins vor Cannes, die schon damals ein Anziehungspunkt für wohlhabende Adelige war und deshalb wohl einiges an Schätzen anhäufen konnte. Weitere gesicherte Klöster existierten im Loiretal sowie im französischen Jura. Für die Champagne ist uns kein Kloster bekannt, was allerdings keinen Ausschlussgrund darstellt, dass es ein solches Kloster nicht doch gegeben haben könnte. Im gesetzten Fall ist es allerdings unwahrscheinlich, dass solch ein Kloster eine derart stabile, gefestigte Institution war, wie es im Comic dargestellt wird, und dort so viele Mönche lebten. Auch die Lagerung eines solch großen Schatzes (für den jeder geschichtliche Hinweis fehlt), ist wenig wahrscheinlich. Nordfrankreich war wesentlich ärmer als die Mittelmeerregionen.

3. Architektur des Klosters und Kleidung der Mönche
Das Kloster wird als eine auf einem steilen Berg gelegene Festung dargestellt, ähnlich wie das Kloster Montecassino, das Gründungskloster der Benediktiner, das De Vita als Vorbild genutzt haben könnte. Die Gestaltung der Festung gleicht allerdings einer Ritterburg, inklusive Zinnen und Türmen, die es erst im Hochmittelalter gab. Auch solch spitz zulaufende Dächer und Wohntürme wurden in frühmittelalterlichen Gebäuden nicht verwendet, dazu war die Bautechnik noch gar nicht in der Lage. Genauso untypisch ist die Darstellung eines Fachwerkgebäudes, dieses war zwar schon bekannt, setzte sich aber erst im 12. Jahrhundert in Europa durch.
Die Kleidung der Mönche orientiert sich an der Tracht der mittelalterlichen Benediktiner. Es ist nicht bekannt, welche Kutten Mönche im 5. Jahrhundert verwendeten.


4. Klosterchroniken
Chroniken haben eine lange Tradition, gerade auch in Klöstern. Es gibt tatsächlich viele Klosterchroniken aus dem Frühmittelalter. Die ältesten überlieferten reichen ins 8. und 9. Jahrhundert zurück. Dass es ältere gab, ist durchaus wahrscheinlich, viel geringer ist allerdings die Wahrscheinlichkeit, dass es bereits Klosterchroniken im 5. Jahrhundert gab. Das Klosterwesen war damals längst nicht so stark verankert wie später, außerdem machte erst eine längere Klostertradition die Schreibung einer Chronik relevant. Dass in einem eben erst gegründeten Kloster ein Mönch bereits mit dem Schreiben einer Chronik zugange war, ist sehr unwahrscheinlich. Die Figur des Kraxelus ist natürlich genau wie das Kloster eine Erfindung.
Chroniken aus dem 5. und 6. Jahrhundert gibt es natürlich schon, die entstanden aber nicht im Kontext einer Klostertradition.

5. Attila plünderte in Frankreich Klöster
Dazu ist nichts bekannt. Auch dies ist nicht sehr wahrscheinlich, weil die christlichen Autoren höchstwahrscheinlich über solche Ereignisse berichtet hätten.

6. Steigbügel
Interessanter Fakt: Die nomadisierenden "Völker" kannten bereits Steigbügel und waren dadurch gegenüber der römischen Reiterei im Vorteil, da sie Pfeile im Trab abschießen konnten. Die Pferde der Hunnen haben im Comic Steigbügel, kann aber natürlich nur Zufall sein.

7. Schlacht auf den Katalaunischen Feldern Wie Micky richtig sagt, ist sie historisch verbürgt (Hauptquelle ist der leider sehr subjektive Historiker Jordanes mit einer Attila-feindlichen Überlieferung).


8. Attila war in Wirklichkeit sanftmütig.
Tricky question, sehr wahrscheinlich falsch, aber wir wissen leider zu wenig, um das ganz sicher falsifizieren zu können. (Immerhin, nur weil etwas nicht überliefert ist, heißt es ja nicht, dass es falsch sein muss.) Stand der Forschung ist, dass die Hunnen eine sogenannte "Steppenkriegerföderation" waren, die hauptsächlich von ihrem charismatischen, erfolgreichen Anführer (eben Attila) zusammengehalten wurden. Ob nicht trotzdem noch jemand wie Kater Karlo eine Rolle gespielt und Attilas Platz eingenommen hat? Es ist zumindest eine nette Idee.

Fazit: Attila, der Hunnenkönig zählt natürlich zu den ganz alten Klassikern der Serie (es war die 16. Geschichte). Und einige Elemente sind auch wirklich sehr lesenswert, besonders die Sequenz, in der Trudi die beiden Professoren mit ihren "Köstlichkeiten" vollstopft. Die historischen Darstellungen sind allerdings mehrheitlich falsch, etliche Aspekte der Klostersequenz hat Pezzin aus einem späteren Jahrhundert in das fünfte verlagert. Wer also einen Blick in die damalige Zeit werfen will, sollte lieber von dieser Geschichte Abstand halten.
Nebenbemerkung: Der italienische Titel lautet übersetzt "Micky und der raumzeitliche Eindringling". Schon damals hat also Ehapa die Titel der Geschichten abgeändert.

Von McDuck (März 2021)



Zuletzt aktualisiert: 02.05.2023, 10:49
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